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Nachricht vom 01.10.2020 Vereine

Gesangverein wird 160 Jahre alt

Hirschau (Bericht von Werner Schulz)  Der morgige 1. Oktober ist ein fĂŒr das kulturelle Leben der Stadt Hirschau denkwĂŒrdiges Datum. Im Jahr 1860 schlug an diesem Tag, einem Montag, die Geburtsstunde des Gesangvereins 1860. Er ist damit der Ă€lteste Verein der Kaolinstadt.

Mit der VereinsgrĂŒndung waren die SangesbrĂŒder zwei Monate frĂŒher dran, als die GrĂŒnder des Katholischen Gesellenvereins, der heutigen Kolpingfamilie. Sie wurde am 4. Dezember 1860 aus der Taufe gehoben. In den Vereins-Annalen findet sich ein von den VorstĂ€nden Andreas Janner, Gg. Engelhardt und Ritschl „in schuldigster Ehrfurcht“ unterzeichnetes Schreiben, in dem zu lesen steht: „Einem hochlöblichen Stadt-Magistrate Hirschau wird hiermit ergebens zur Anzeige gebracht, dass sich am 1. Oktober 1860 ein Gesangsverein gebildet hat.“ VerbĂŒrgt ist, dass der Gesangverein 1860 Amberg bei der GrĂŒndung Pate stand.



Über das Vereinsleben vor 1900 gibt es keine Aufzeichnungen, nur ein Gruppenbild aus dem Jahr 1885 und ein Foto der 1890 geweihten Fahne mit dem Erinnerungsband an das Deutsche SĂ€ngerfest 1861 in NĂŒrnberg. Das Protokollbuch beginnt mit dem Jahr 1901. Als eindrucksvollste Feier, die Hirschau vor dem Ersten Weltkrieg erlebte, wird 1911 die dreitĂ€gige Goldene Jubelfeier zum 50-JĂ€hrigen beschrieben, bei der die neue Fahne mit der Aufschrift „Treu unser Herz, wahr unser Wort, deutsch unser Lied, Gott unser Hort” geweiht wurde. Bis 1920 war der Gesangsverein ein bĂŒrgerlicher Verein. Um Mitglied zu werden, musste man u.a. „BĂŒrger oder BĂŒrgersohn sein, guten Ruf und ein gesittetes Betragen haben, eine StimmprĂŒfung bestehen und eine Ballotage ĂŒber sich ergehen lassen, eine geheime Abstimmung mit roten und schwarzen Kugeln. Die Aufnahme erfolgte nur bei Einstimmigkeit.



Um 1920 bildete sich zusĂ€tzlich ein Arbeitergesangverein, außerdem ein Doppelquartett von meist norddeutschen Werkmeistern der Keramikfabriken. Dieses erweiterte sich 1924 zum Liederkranz Hirschau. In der Stadt gab es in den 1920-er Jahren drei Gesangvereine mit je 30 bis 40 SĂ€ngern. Sie wetteiferten in Liedpflege, Orchesterspielen und TheaterauffĂŒhrungen. 1912 war der MGV dem FrĂ€nkischen SĂ€ngerbund beigetreten. Man beteiligte sich an den Deutschen SĂ€ngerfesten z.B. 1924 in NĂŒrnberg und 1928 in Wien. Am 25. Juli 1922 fand in Hirschau der GausĂ€ngertag statt. Vorstand Herrneder berichtete euphorisch: “Zwölf stattliche Triumphbögen verschönerten das Stadtbild, kein Haus, das nicht mit Girlanden, KrĂ€nzen und Fahnen geziert war, als sich der von der Reichswehrkapelle angefĂŒhrte Festzug durch die Stadt bewegte - ein Bild, das Hirschau noch nicht gesehen hatte.“ Zum Abschluss erklang vor dem Rathaus aus 1 000 Kehlen Beethovens „Ehre Gottes”.

1933 vereinigten sich die drei Gesangvereine. Über die Zeit bis 1945 schreibt der Chronist: „Unser Gesangverein waren in den Jahren der Bewegung zur Ruhe gegangen”.

ZĂ€hlte Hirschau 1940 ca. 3 500 Einwohner, stieg die Zahl durch die Heimatvertriebenen bis 1950 auf ca. 4 500. Sie gaben dem Sangesleben neuen Auftrieb. Unter Leitung von Kapellmeister Georg Kunze aus Breslau bildete sich ein Gemischter Chor mit ĂŒber 40 Damen und Herren. Der probte bis 1951 im „Goldenen Schwan”, dem heutigen Werkmarkt Eisen Schertl. 1955 riefen Gerhard Grobba und Georg Kunze im Gasthof „Zum BĂ€ren” den MĂ€nnergesangverein mit 14 Aktiven wieder ins Leben. Als 1959 in Hirschau das KreissĂ€ngerfest stattfand, zĂ€hlte der Verein 31 aktive und 20 passive Mitglieder.

Am 8./9. Juli 1961 feierte der Verein sein 100-JĂ€hriges. Das 1 200 Personen fassende Festzelt war ĂŒberfĂŒllt. Am Festzug beteiligten sich 21 Gesangvereine mit 500 SĂ€ngerinnen und SĂ€ngern. 1964 war ein SĂ€ngertreffen auf dem Mausberg mit den Vereinen Hirschau, Ehenfeld, Gebenbach, Schnaittenbach und Ursulapoppenricht der Auslöser zur GrĂŒndung der SĂ€ngervereinigung Hirschau und Umgebung. Sie wurde 1974 mangels Probenbereitschaft wieder aufgelöst.

1985 feierte der MGV sein 125-JĂ€hriges mit 35 aktiven SĂ€ngern. Vorstand Anton Luber hatte freundschaftliche Bande zum „Liederkranz 1840 Hirschau”, einem Ortsteil von TĂŒbingen, geknĂŒpft. Das Festkonzert am 15. Juni 1985 gestalteten zehn MĂ€nnerchöre aus der Region und der Chor aus Hirschau-TĂŒbingen. 1989 renovierten MGV-Mitglieder die Kreuzwegstationen und die Kalvarienberg-Kapelle. 1990 zeichnete die Stadt den Verein fĂŒr seine kulturellen BeitrĂ€ge im weltlichen und kirchlichen Bereich mit dem Kulturpreis aus.

1991 endete nach 12 Jahren die Ära Anton Luber. Er wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt, GĂŒnter Übelacker zu seinem Nachfolger gewĂ€hlt. Er sollte 22 Jahre lang an der Spitze der Vereins stehen und maßgeblich an der Eingliederung des „Gemischten Chores“ mitwirken.

FĂŒr den MGV erwies es sich als GlĂŒcksfall, dass die kirchliche Schola 1998 eine Chorleitung suchte. Diese ĂŒbernahm der MGV-Dirigent Michael Kallert. In Folge wurde der Vereinsname am 29. MĂ€rz 2000 in Gesangverein 1860 Hirschau geĂ€ndert. Im gleichen Jahr feierte man das 140-JĂ€hrige mit einem großen Festabend im Josefshaus.

Der MĂ€nnerchor entwickelte sich mehr und mehr zum Sorgenkind. Die Zahl der SĂ€nger ging zurĂŒck. Man konnte nur mehr dreistimmiges Liedgut singen. Um den verbliebenen 13 SĂ€ngern das Weitersingen zu ermöglichen, wurde beim MĂ€nnerchor Ehenfeld 2008 um eine Chorbeteiligung angefragt. Am 30. September 2008 fand die erste gemeinsame Probe statt.

DafĂŒr trat der Gemischte Chor immer mehr ins Rampenlicht. Unter Leitung von Michael Kallert, der 2003 krankheitsbedingt ausschied, stellte der Chor sein Können bei vielen Auftritten unter Beweis. Nachfolgerin Andrea Eichenseer gab aus beruflichen GrĂŒnden nur ein kurzes Gastspiel. 2005 ĂŒbernahm Jana MĂŒller die musikalische Leitung. Sie versteht es bis heute bestens, die Chormitglieder zu begeistern und bereichert die Chor-Veranstaltungen mit Solodarbietungen. Seit 2006 lĂ€dt der Chor jedes Jahr auf die FestspielbĂŒhne im Schlosshof zur Sommerserenade ein und gestaltet diese zusammen mit anderen Musikgruppen zur Freude hunderter begeisterter Besucher. Heuer fiel die Serenade dem Corona-Virus zum Opfer. Sein 10-JĂ€hriges feierte der Chor im Oktober 2008 mit einem eindrucksvollen Konzert.

Zwischenzeitlich wieder aufgelöst hat sich der 2005 gebildete Monte-Chor mit SĂ€ngern aus Hirschau, Ehenfeld, Schnaittenbach und Freudenberg. Im Oktober 2010 wirkte der Chor noch mit beim Festkonzert zum 150-JĂ€hrigen des Gesangvereins, ebenso der Chor „PiChorolo“, der Schulchor der Dr. Decker-Schulen, das BlĂ€serquintett des Musikzugs und der Gemischte Chor. Der feierte sein 20-jĂ€hriges Bestehen im Oktober 2018 im vollbesetzten Josefshaus mit einem Festkonzert. Hans Meindl ließ die Geschichte des Chors kurzweilig Revue passieren.

Zu diesem Zeitpunkt war der Gesangverein, einst eine reine MĂ€nnerdomĂ€ne, lĂ€ngst von Frauen ĂŒbernommen worden. Bereits 1999 wurde Anita Moosburger zur 2. Vorsitzenden des MĂ€nnerchors gewĂ€hlt. 2007 löste sie RenĂ©e Ehringer-Hoffmann in dieser Funktion ab. Mit ihr wurde 2013 erstmals eine Frau Vorsitzende des Traditionsvereins, als GĂŒnter Übelacker den Vorsitz nach 22 Jahren engagierten und erfolgreichen Wirkens abgab. Die Ernennung zum Ehrenvorsitzenden hatte er mehr als verdient.

Der RĂŒckblick wĂ€re unvollstĂ€ndig, wĂŒrde man nicht die BemĂŒhungen von RenĂ©e Ehringer-Hoffmann um die musikalische FrĂŒherziehung der Kindergartenkinder erwĂ€hnen. Auf ihre Initiative hin wurde der St. Wolfgang-Kindergarten mehrfach mit dem „Felix“ ausgezeichnet. Aktuell zĂ€hlt der Verein unter seinen 90 Mitgliedern aktuell 30 aktive SĂ€nger*innen, die zum Teil im Ehenfelder MĂ€nnerchor mitsingen. Frischblut tĂ€te dem Chor gut, betrĂ€gt doch der Altersdurchschnitt 63,0 Jahre.

Die Corona-Pandemie verhindert heuer die geplante Feier des 160-jĂ€hrigen JubilĂ€ums. Ob und wie es nĂ€chstes Jahr nachgeholt werden kann, ist noch offen. WĂŒnschenswert wĂ€re es allemal, sind doch Veranstaltungen des Gesangvereins aus Hirschaus Kulturleben seit 160 Jahren nicht wegzudenken.

Die Àlteste Fotoaufnahme in der Vereinschronik stammt aus dem Jahr 1885.

 - Foto von Werner SchulzFoto: Werner Schulz
Die Àlteste Fotoaufnahme in der Vereinschronik stammt aus dem Jahr 1885.

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Foto: Werner Schulz
Foto: Werner Schulz
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